2007, November

Am 29. September 1982, zwei Tage bevor ein konstruktives Misstrauensvotum mit den Stimmen von CDU, CSU und der Mehrheit der FDP-Fraktion die Regierung Schmidt zu Fall brachte, überreichte der damalige Präsident des Bundesarchivs, Hans Booms, dem Kanzler den ersten Band der Edition mit den Niederschriften der Sitzungen des Bundeskabinetts des Jahres 1949. Drei Jahre zuvor hatte die Bundesregierung per Kabinettsbeschluss dem Bundesarchiv die wissenschaftliche Edition der Kabinettsprotokolle übertragen. Die zunächst geheimen Beratungen des Kabinetts sollten damit nach Ablauf von jeweils 30 Jahren der retrospektiven öffentlichen Kontrolle und zeitgeschichtlicher Aufarbeitung zugeführt werden. Seitdem ist die Editionsreihe, die auch die Kabinettsausschüsse einbezieht, auf 20 Bände mit ca. 13.000 Seiten angewachsen.

Die vorliegende Online-Ausgabe macht gegenwärtig die Kabinettsprotokolle der Jahre 1949 bis 1962, die Protokolle des Kabinettsausschusses für Wirtschaft der Jahre 1951 bis 1957 sowie die Protokolle des Ministerausschusses für die Sozialreform 1955 bis 1960 zugänglich. Sie bietet gegenüber der weiterhin publizierten Printausgabe entscheidende Vorteile bei der Recherche und setzt durch ein durchgängiges System von verlinkten Kommentaren und thematischen Vor- und Rückverweisen auch hinsichtlich der editorischen Qualität Maßstäbe. So kann beispielsweise der Beratungsverlauf im Kabinett und seinen Ausschüssen auch über konventionelle Band- bzw. Jahrgangsgrenzen hinweg unmittelbar nachvollzogen werden.

Die folgende Grafik zeigt einen Ausschnitt aus dem Protokoll der 75. Kabinettssitzung am 20. Juni 1950. TOP 8 hatte die Finanzierung der Freien Universität Berlin zum Thema.

Die Benutzung der Online-Edition kann entweder "browsend" über eine Gliederung oder durch Eingabe von Suchbegriffen in eine Rechercheoberfläche erfolgen. Hierbei kann die Suche durch Boole'sche Operatoren und Trunkierung sowie durch Begrenzung auf bestimmte Bereiche des Datenbestandes (Kabinett, Ausschüsse, Biographien, Volltext, TOP-Überschrift, Fußnoten usw.) recht differenziert gestaltet werden. Ein weiteres sinnvolles Detail hat man für Abkürzungen realisiert: Per mouse-over werden sämtliche auftretenden Abkürzungen im Browser in Langform aufgelöst. Benutzung und Editionsgrundsätze werden ausführlich und leicht verständlich dargelegt. Die Geschäftsordnung der Bundesregierung ist ebenfalls hinterlegt.

Fazit: Eine geschichtliche Quelle von eminenter Bedeutung wird erstmals leicht benutzbar einer größeren Öffentlichkeit zugänglich, ohne dass Kompromisse beim wissenschaftlich-editorischen Anspruch gemacht wurden. Einzelne Protokollabschnitte sind unmittelbar im RTF-Format weiter verwendbar; Zitierfähigkeit ist gegeben.