Anschläge von Gentrifizierungsgegnern in Berlin : Ich stehe auf der Liste
25.05.2013 08:37 UhrIch bin ein Angriffsziel. Ein potenzielles Opfer. Das ist ein mieses Gefühl. Das Haus, in dem ich wohne, steht auf der Abschussliste, genauer: auf der „Berlinerliste – MieterInnen stressen zurück“. Eine Internetseite, die „für kreative Aktionen gegen Verdrängung“ wirbt. Darunter Dutzende Adressen: Neubauprojekte, Wohnungsbaugesellschaften, Investoren, Immobilienunternehmen, Makler, Agenturen und Verbände, Polizei- und Justizbehörden, Jobcenter, Senatsverwaltungen, Abgeordnetenhaus, Rotes Rathaus. Sogar die „Stiftung Zukunft Berlin“ steht auf der Liste.
Wie solche Aktionen aussehen könnten, zeigen sieben Piktogramme in gelben Kreisen: ein Pinsel; ein Bus, aus dem sich Fahnen schwenkende Demonstranten herauslehnen; eine Sprühdose; eine brennende Mülltonne; Farbkleckse an der Wand; ein Schraubenschlüssel gekreuzt mit einem Schraubenzieher; eine Computertastatur.
Was lässt sich damit anstellen? Alles Mögliche vermutlich, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Gesucht sind offenbar Leute, die den Mut haben, der Anstiftung Taten folgen zu lassen. Davon finden sich genug, wie unter dem Link „Aktionen“ nachzulesen ist. Eine Sammlung von Bekennerschreiben zu Anschlägen. Allein im Mai kam einiges zusammen: Die „Autonome Gruppe-Safaritour“ rühmt sich, in Kreuzberg das frisch gegossene Betonfundament für einen „Luxusneubau“ geflutet zu haben. Nächtliche „Besuche“ auf Baustellen, Brandstiftungen und Farbbeutelattacken, verhinderte Zwangsräumungen, Angriffe auf Jobcenter, die SPD-Zentrale in Wedding („verantwortlich für die ganze Hartz4-Scheiße“), eine Farbsprüherei an der Fassade des Landgerichts: „Zwangsräumung tötet!“
Auf der nach oben offenen Skala der Eskalation ist Luft für jeden Irren, der zu mehr entschlossen ist. Bei unserem Kinderarzt, der eine Neubauwohnung in einer Parallelstraße bewohnt, flogen Steine durchs Fenster – und landeten im Kinderzimmer. Die Botschaft ist angekommen: Wir sollen uns nicht sicher fühlen. Wir können die Nächsten sein.
Wir, das sind meine Frau und ich, zwei Kinder, sechs und zehn. Ich lebe seit 23 Jahren in Berlin und habe nie jemanden verdrängt. Wir haben hier eine Familie gegründet, wir arbeiten hier, wir lieben diese Stadt. Und ja, uns geht es vergleichsweise gut, wir gehören wohl zu den Besserverdienenden. Wir haben uns eine Eigentumswohnung gekauft – auf Kredit. Für den Neubau musste kein Mieter weichen. Wir fühlen uns unschuldig.