Fall Jonny K. : Ankläger fordert Haftstrafen von bis zu fünfeinhalb Jahren

12.08.2013 17:45 Uhrvon
Die Angeklagten verstecken ihre Gesichter hinter Zeitungen. Foto: dpa
Die Angeklagten verstecken ihre Gesichter hinter Zeitungen. - Foto: dpa

UpdateWenn es nach der Staatsanwaltschaft geht, müssen die jungen Männer, die Jonny K. auf dem Alexanderplatz angegriffen hatten, zwischen zweieinhalb und fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis. Doch bei nur einem von ihnen plädiert der Ankläger auf Körperverletzung mit Todesfolge.

Eigentlich wollte Tina K. noch ein paar eigene Worte sagen, sich persönlich an die mutmaßlichen Schläger wenden. Doch sie hielt sich die Hände vors Gesicht und kämpfte mit den Tränen. „Nein, ich kann nicht“, hauchte die 28-Jährige. Sie hatten zuvor während des Plädoyers der Staatsanwaltschaft die sechs Männer auf der Anklagebank beobachtet. Sie hatten jede Schuld am Tod ihres Bruders Jonny K. bestritten. Sie zeigten kaum Regung, als Oberstaatsanwalt Michael von Hagen Haftstrafen zwischen zweieinhalb und fünfeinhalb Jahren forderte. Das Urteil soll Donnerstag verkündet werden.

 

„Wir werden am Ende nicht jedes Detail der Tat lückenlos aufklären“, sagte der Ankläger. Fest stehe, dass Jonny K. und sein Freund Gerhardt C. in der Nacht zum 14. Oktober 2012 am Alexanderplatz völlig grundlos angegriffen wurden. Es sei erwiesen, dass der damals 19-jährige Onur U. die Attacke auslöste. „Er versetzte Jonny K. den ersten Schlag“, zeigte sich der Ankläger sicher. Aufgestachelt durch den Hieb ins Gesicht hätten sich die anderen Angeklagten „sukzessive angeschlossen“.

Eine Körperverletzung mit Todesfolge sei jedoch nur Onur U. nachgewiesen worden, sagte der Oberstaatsanwalt. U. sei der Verursacher der Gewalttat gewesen. Die Mitangeklagten im Alter von 19 bis 25 Jahren seien wegen gefährlicher Körperverletzung sowie Beteiligung an einer Schlägerei zu bestrafen. Gegen Melih Y. verlangte er drei Jahre Haft, je zwei Jahre acht Monate gegen Hüseyin I. und Osman A., zweieinhalb Jahre für Memet E.

Jonny K. war mit wuchtigen Schlägen und Tritten derart attackiert worden, dass er stürzte. Er starb einen Tag später an massiven Hirnblutungen. Ob durch einen Schlag, Tritt oder Sturz konnten Rechtsmediziner nicht klären. Auf seinen Freund Gerhardt C. hatte U. mit mehr als zehn Faustschlägen ins Gesicht eingedroschen. Der 29-Jährige erlitt Brüche. Auf Jonny K. sei auch noch eingetreten worden, als er bereits am Boden lag, sagte der Ankläger. Aber es sei nicht zweifelsfrei festgestellt worden, wer dafür verantwortlich ist. Bilal K. war durch Mitangeklagte, drei griechische Cousins, beschuldigt worden, er bezichtigte Melih Y.

Die Ermittler hatten zunächst vier der Angeklagten eine Körperverletzung mit Todesfolge zur Last gelegt. Der Ankläger wies nun auf Entscheidungen  des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit Taten, bei denen unklar geblieben ist, welcher Gewaltakt zum Tode führte. Derjenige, der die Tätlichkeit begonnen hat, müsse sich die Beiträge der anderen zuordnen lassen, sagte der Oberstaatsanwalt. Onur U. habe den ersten Schlag gegen Jonny K. geführt. Es sei nicht auszuschließen, dass der bereits tödlich war.

Vieles spreche gegen die teilgeständigen Angeklagten, so von Hagen. Ein Angriff auf einen, der Streit verhindern wollte. Die Überzahl der Angreifer. Und: Die grundlose Attacke in der Öffentlichkeit habe das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit beeinträchtigt. Strafen zur Abschreckung seien deshalb gegen die drei Erwachsenen zu verhängen. Das Jugendstrafrecht lässt eine  solche Generalprävention nicht zu. 

Der Antrag des Anklägers machte den Verteidiger von Onur U. „beinahe sprachlos“. Exorbitant, überzogen sei das. Die Staatsanwaltschaft stütze sich auf die Angaben von Gerhardt C., das aber sei „keine verlässliche  Verurteilungsgrundlage“. C. hatte erklärt, dass derjenige, der später auf ihn eingeprügelt hatte, Jonny K. den ersten Schlag verpasst habe. Nur C. habe Onur U. bezichtigt. Der 28-Jährige aber sei selber angetrunken gewesen, habe zudem massive Verletzungen erlitten. Doch seine Erinnerungen seien angeblich immer besser geworden. Für U. müsse gelten: in dubio pro reo. Der Verteidiger verlangte wie alle seine Kollegen im Prozess Bewährung.

Die Nebenklage sah es wie die Staatsanwaltschaft: Ein klarer Haupttäter, nur gegen U. sei eine Strafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu verhängen. „Moralisch sind sie alle für den Tod eines Menschen und die Zerstörung einer Familie verantwortlich“, sagten die Anwälte der Familie des Getöteten. Feige und ehrlos hätten sie sich verhalten, seien zu sechst auf zwei Menschen losgegangen. „Warum es geschah? Eigentlich wissen wir es immer noch nicht.“

Tina K. wolle keine Rache, sagte ihr Anwalt, sie wolle etwas verändern und thematisiere öffentlich sinnlose Gewalt. Sie hatte sich Notizen gemacht und wollte sich an die Angeklagten wenden. Doch in dem Moment hatte sie im Saal 700 doch keine Kraft.

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Unser/e Leser/in ostsee meint zum Artikel: Startbahn Sehnsucht:
Ausgerechnet die allerhässlichsten und nichtssagendsten Bauten der DDR werden jetzt unter Denkmalschutz gestellt. Damit soll wohl noch einmal so richtig die Öde der DDR als Abschreckung erhalten werden?! Nachdem man Palast der Republik und Ahornblatt nicht für erhaltenswert gehalten und schnell entsorgt hat, können diese grauenhaften Platten nun auch weg.
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