Umweltcomic „Die große Transformation“ : Im Comic die Welt retten

10.08.2013 10:54 UhrVon Leonard Fischl
Die gezeichnete Weltrettung: Experten wie Hans-Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (oben) und US-Präsident Barack Obama (Mitte) ziehen im Comic an einem Strang, um die Klimaziele zu erreichen. Foto: Verlag Jacoby & Stuart
Die gezeichnete Weltrettung: Experten wie Hans-Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (oben) und US-Präsident Barack Obama (Mitte) ziehen im Comic an... - Foto: Verlag Jacoby & Stuart

Der Sachcomic „Die große Transformation“ wurde von einer Gruppe von Wissenschaftlern mit erarbeitet. Nun ist die Bildergeschichte über die Folgen des Klimawandels als Wissenschaftsbuch 2013 nominiert.

Als Reinhold Leinfelder im Jahr 2011 im Auftrag der Bundesregierung einen Klimabericht verfasste, wollte er, dass nicht nur Politiker vom schlechten Zustand der Erde erfahren, sondern die gesamte Öffentlichkeit in Deutschland. Mit Kolleginnen und Kollegen vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) suchte der Biogeologe einen neuen Weg, um die dramatischen Erkenntnisse aus jahrelanger Klimafolgenforschung zu verbreiten. Doch wie lässt sich ein 410 Seiten langer Wissenschaftsbericht für den Laien übersetzen? „Da kam uns die Idee, das Gutachten in einen Comic zu verwandeln“, sagt der Wissenschaftler.

Eine Idee, die inzwischen umgesetzt worden ist.

„Die große Transformation. Klima – Kriegen wir die Kurve?“ heißt der Interview-Comic, in dem die WBGU-Experten, also namhafte Klimaforscher, Ökonomen, Soziologen, Kultur- und Rechtswissenschaftler, zu den Bedrohungen der Erde Stellung beziehen. Reinhold Leinfelder ist nicht nur einer der Herausgeber und Ideengeber des Comics, sondern auch einer der Protagonisten: Gleich im zweiten Kapitel reist er als fiktive Figur von Frankfurt nach Panama, um bei einem Tauchgang Korallenriffe zu untersuchen. Diese sind wegen der erwärmten Gewässer nicht mehr überlebensfähig – mit dramatischen Folgen: „Durch das Absterben der Korallenriffe wird die Lebensgrundlage für viele Fische vernichtet“, sagt Leinfelder. „Das bedeutet für viele Menschen, die vom Fischfang leben, den wirtschaftlichen und existenziellen Ruin.“

„Der Bremsweg ist lang. Deshalb müssen wir jetzt anfangen.“

Der Prolog und die neun Kapitel des Schwarzweiß-Comics wurden von sechs verschiedenen Illustratoren gestaltet – und doch lässt sich ein roter Faden erkennen. „Mir war es wichtig, dass die Leser spielerisch an die Probleme der Erde herangeführt werden“, sagt Reinhold Leinfelder. Der Comic solle einerseits unterhalten, aber müsse zugleich wissenschaftlich korrekt sein. Leinfelder ist davon überzeugt, dass sich die Forscher mit ihren Ergebnissen an die gesamte Bevölkerung richten müssen, wenn sich etwas ändern soll. Denn nur wenn jeder Einzelne und alle kommenden Generationen die Auswirkungen des Klimawandels verstünden, könne die Menschheit die Zerstörung der Erde aufhalten. „Deshalb wollen wir jetzt mit dem Comic an Schulen gehen und anregen, dass er im Unterricht gelesen wird.“ In der Öffentlichkeit wurde das Buch bislang sehr positiv aufgenommen: Der mehrfach ausgezeichnete Comic ist als Wissenschaftsbuch 2013 nominiert. Bis Ende August können Leser auf einer Website über den Sieger des Wettbewerbs abstimmen.

Das Besondere an dem Projekt ist sein transdisziplinärer Zugang: Zu Wort kommen bekannte Klimaexperten wie Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdamer Institut für Klimafolgen-Forschung, aber auch Juristen und Wirtschaftswissenschaftler, die sich dem Thema aus geistes-, rechts- und sozialwissenschaftlicher Perspektive nähern.

In dem Kapitel „Wer soll das bezahlen?“ argumentiert die Ökonomie-Professorin Renate Schubert nachdrücklich, dass eine klimafreundliche Wende nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendig sei. Denn wenn die Temperatur in Deutschland steigt und es immer wieder zu Starkregen und Hochwasser kommt, werden unsere Städte und Regionen nicht mehr nutzbar sein: weder zum Urlaubmachen, noch zum Leben. Um dies zu verhindern, dürfe sich die globale Temperatur nicht um mehr als zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung erwärmen, sagt Leinfelder.

Klingt nicht viel? Der Comic macht mit einem Vergleich die Bedrohung verständlich: Wenn die Körpertemperatur des Menschen dauerhaft um mehr als zwei Grad steige, falle ein Organ nach dem anderen aus, irgendwann kollabiere der gesamte Organismus. Bei der Erde sei das genauso .„Wir müssen also begreifen, dass der Klimawandel alle angeht“, sagt Leinfelder. „Aber der Bremsweg ist lang. Deshalb müssen wir jetzt anfangen, unser Leben zu verändern.“

Eine Revolution wie zu Zeiten der Aufklärung

Die Bevölkerungsdichte auf dem Erdball wächst – damit steigt der Nahrungsmittelkonsum, was zu einem höheren Kohlendioxid-Ausstoß führt. Auch den zügellosen Verbrauch von Erdöl wird die Erde nicht mehr lange mitmachen. Das zeigt der Comic in grafisch anspruchsvollen, erhellenden Geschichten, die zugleich einen Einblick in den Alltag der Forscher geben. Alternativen werden vorgestellt, etwa Solarenergie oder Windkraft. „Technisch sind wir soweit, dass wir uns ausschließlich über erneuerbare Energien versorgen könnten. Jetzt fehlt nur noch die Umsetzung“, sagt Leinfelder. Er ist optimistisch: „Wenn jeder seinen Beitrag leistet, können wir die Erderwärmung aufhalten.“

Notwendig sei eine Revolution, wie sie der Mensch in Zeiten der Aufklärung erlebt habe. Damals habe sich das Bewusstsein eingestellt, dass jedes mündige Wesen sein Schicksal selbst in die Hand nehmen könne. „Der Mensch hat bewiesen, dass er zu Änderungen fähig ist. Solch eine Revolution brauchen wir jetzt auch.“ Bis dahin heißt es für den Wissenschaftler: Aufklärungsarbeit leisten und die Menschen vom Klimawandel überzeugen. Mit dem Comic ist ein erster Schritt getan.

Mehr zu dem Projekt gibt es hier: www.die-grosse-transformation.de

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