Wahlkampf auf Öko-Pappe : Wahlplakate der Grünen sind nicht wetterfest
12.08.2013 09:37 UhrDie heiße Wahlkampfphase hat gerade erst begonnen, da wirkt die grüne Bundestagskandidatin im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg, Renate Künast, schon teils schlapp oder geht regelrecht zu Boden. Die Rede ist von den Wahlplakaten, auf denen die Ex-Landwirtschaftsministerin und Chefin der grünen Bundestagsfraktion an Laternenmasten präsentiert wird. Die heftigen Regenfälle in der vergangenen Woche haben etliche Plakate und deren Trägerplatten – alles laut Hersteller aus besonders umweltfreundlicher „Ökopappe“ – offenbar aufgeweicht, so dass sie herabrutschen.
Von der Panne betroffen sind auch Themenplakate. Nun ist der Ärger groß, Werbung muss nachbestellt und neu geklebt werden. Nicht nur in Berliner Wahlkreisen, sondern bundesweit.
Auch die SPD hat derzeit Probleme mit neu angebotenen „formaldehydfreien, aus Recyclingprozessen gewonnenen“ Papp-Plakaten für ihren Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Diese sogenannten „Eco Wave“-Plakate weichen im Regen teils rasch auf. Geliefert hat sie allerdings nicht die Berliner Firma „Pappwelle“ mit der die Grünen zusammenarbeiten, sondern ein anderes Unternehmen.
Einer der zwei Inhaber von „Pappwelle“ ist der einstige Landesgeschäftsführer der Berliner Grünen und anfängliche Wahlkampfmanager von Renate Künast bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2011, André Stephan. Damals trennte sich Künast von ihm, nachdem er betrunken am Steuer erwischt worden war. Inzwischen hat der 33-Jährige Pappwelle gegründet. Eine Sprecherin der Firma widersprach am Sonntag den Vorwürfen. Trotz der aufeinanderfolgenden drei schweren Unwetter hätten die meisten Plakate die Regengüsse gut überstanden. „Wir garantieren 50 Tage Wetterfestigkeit unter regulären Bedingungen. Die Haftung für drastische Wetterereignisse schließen wir aber aus.“ Der Wahlmanager der Bundesgrünen, Robert Heinrich, teilte hingegen auf Nachfrage mit, dass bei den „Öko-Plakaten“ in mehreren Kreisverbänden in Berlin und anderswo „nach den starken Regenfällen Schäden aufgetreten sind“. Es müsse nun nachgebessert werden.
Parteien und ihre Wahlplakate(27 Bilder)
Kunststoff oder Papier?
Herstellung und Vertrieb der Wahlplakate sind bei den Grünen so bunt und teils individuell organisiert, wie die Partei sich auch sonst gerne darstellt. So können die einzelnen Berliner Wahlkreise das gesamte Werbematerial beim Bundesverband bestellen – vom Plakat ihres jeweiligen Direktkandidaten bis zu den Themenplakaten, die Probleme wie hohe Mieten oder fehlende Kitaplätze aufgreifen. Etliche Kreisverbände stellen aber auch im Alleingang Plakate her, die sie nach eigenen Ideen gestalten. Hinsichtlich der Materialien hatten sie dabei bislang nur zwei Alternativen: Entweder dünne Tafeln aus Kunststoff, meist im DIN-A1-Format, auf die direkt gedruckt wird. Oder die klassische Spanplatte, auf die man Papierplakate erst draufkleistern muss.
In der Vergangenheit griffen die Grünen aus ökologischen Gründen ausschließlich zu Pressholz und Papier, während sich die Sozialdemokraten beispielsweise für die Plastikvariante entschieden und so das aufwändige Bekleben sparten. Rechtzeitig vor dem jetzigen Bundestagswahlkampf boten dann aber verschiedene Firmen – so auch André Stephans Unternehmen „Pappwelle“ – eine dritte Alternative an: Eine „umweltfreundlich produzierte und sehr leichte“ Trägerplatte aus sogenannter „Outdoor Ökopappe“, auf die gleichfalls direkt gedruckt wird. Alles ist fix und fertig. „Kein Kleistern, kein Schleppen, ruck-zuck am Mast“, so der Slogan von „Pappwelle“.
"Renate Künast hängt einwandfrei am Mast"
Einige grüne Kreisverbände wie Tempelhof-Schöneberg setzten voll auf das neue Produkt, das vom Bundesverband wahlweise neben dem Pressspanklassiker geliefert wird oder von ihnen in Eigenregie bestellt und bedruckt wurde. Es folgte der peinliche Frust, über den die Grünen zumindest in Tempelhof-Schöneberg nicht gerne reden. „Renate Künast hängt doch überall einwandfrei am Mast“, sagt Kreisgeschäftsführer Frederic Carpenter. Und die Themenplakate? „Dazu sage ich nichts, fragen Sie den Bundesverband.“
In Friedrichshain-Kreuzberg, dem Bundestagswahlkreis von Christian Ströbele, hängt die gesamte grüne Werbung hingegen „Eins a“, wie Ströbele sagt. Hier entschied man sich komplett für den Klassiker, entwarf und druckte die Plakate für den Direktkandidaten alle selbst und lud danach zu einer „Kleisterparty“ ein. In einer angemieteten Parkhausetage am Kottbusser Tor klebten ehrenamtliche Helfer tausende Plakate auf die Spanplatten.