Militär in Kairo setzt auf „Aushungern“ : Ägyptens Justiz verlängert Untersuchungshaft für Mursi

12.08.2013 21:59 Uhr
Entschlossen: Die Mursi-Anhänger wollen ihr Camp nicht verlassen. Foto: Reuters Foto: REUTERS
Entschlossen: Die Mursi-Anhänger wollen ihr Camp nicht verlassen. Foto: Reuters - Foto: REUTERS

UpdateDie Androhung, ihre Protestcamps aufzulösen, schreckt die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi nicht. Tausende demonstrieren weiter für den Islamisten. Die Sicherheitskräfte hoffen darauf, dass Demonstranten freiwillig das Feld räumen.

Ägyptens Justiz hat die Untersuchungshaft für den entmachteten Staatschef Mohammed Mursi verlängert und damit die angespannte Stimmung unter seinen Anhängern weiter angeheizt. Die Untersuchungshaft für Mursi werde um zwei Wochen verlängert, teilte die ägyptische Justiz mit. Als Begründung wurden die laufenden Ermittlungen zur mutmaßlichen Zusammenarbeit Mursis mit der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas bei Angriffen auf Polizisten und mehreren Gefängnisausbrüchen genannt. Mursi war am 3. Juli vom Militär entmachtet worden.

Gut drei Wochen später verhängte die Justiz formell eine zweiwöchige Untersuchungshaft. Der Ex-Präsident wird an einem geheimen Ort festgehalten.

Am Abend entschied sich die zweitgrößte islamistische Partei des Landes, die Nur-Partei, dass sie sich an einem 50-köpfigen Gremium zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung beteiligen könne. Damit geraten die Muslimbrüder noch weiter in die Isolation.
Mursis Anhänger haben zu landesweiten Demonstrationen gegen die drohende Räumung ihrer Protestlager aufgerufen. Die Allianz, der auch die Muslimbrüder angehören, reagierte damit auf die Ankündigung von Vertretern der Regierung und der Sicherheitskräfte, in Kairo gegen Protestlager vorzugehen. Der eigentlich schon am frühen Montagmorgen geplante Polizeieinsatz verzögerte sich Sicherheitskreisen zufolge jedoch, weil die Lager erheblichen Zulauf erfahren hätten, nachdem bekannt wurde, dass eine Räumung bevorstehe.

Beobachter fürchteten eine Eskalation der Gewalt, da sich die Demonstranten bislang nicht kompromissbereit gezeigt haben. Sie fordern eine Wiedereinsetzung des vom Militär entmachteten, demokratisch gewählten Mursi. Rund 300 Menschen sind bislang bei den Protesten ums Leben gekommen. Seit die vom Militär eingesetzte Regierung die internationalen Vermittlungsbemühungen am vergangenen Mittwoch für gescheitert erklärte, hat sich die Lage in Kairo zugespitzt. Die Europäische Union hat angekündigt, sie wolle sich auch weiterhin engagieren, um eine friedliche Lösung zu erreichen und weiteres Blutvergießen zu verhindern.

Sicherheitskräfte kündigen eine "schrittweise Räumung" an

Nach dem Ablauf eines Ultimatums am Sonntagabend hatten die Sicherheitskräfte eine „schrittweise“ Räumung der Protestcamps angekündigt. Vertreter des Innenministeriums erklärten, die Polizei werde zunächst damit beauftragt, die Protestcamps zu umzingeln, so dass niemand mehr hineinkomme. Dann würden die Protestierenden aufgefordert, ihre Lager zu verlassen. Dieser Prozess könne „zwei bis drei Tage“ in Anspruch nehmen. Wann mit der Räumung der Camps konkret begonnen werde, sei aber noch nicht endgültig entschieden. Offenbar wollen die Behörden zunächst einige Demonstranten ohne Gewalt zum Abzug bewegen, bevor sie gegen radikale Mitglieder der Protestbewegung vorgehen. Derzeit halten sich in den Camps zum Teil ganze Familien auf.
Nach der Ankündigung der Räumung schichteten die Mursi-Anhänger rund um die Protestlager Sandsäcke und Steinhaufen auf. „Wir rechnen damit, dass jederzeit alles passieren kann“, sagte der Demonstrant Assam Abu Ammar im größten Lager im Nordosten Kairos. „Wir bleiben hier.“ Nach Einschätzung von Diplomaten kann sich die Lage nur beruhigen, wenn ein ehrenhafter Ausweg für Mohammed Mursi gefunden wird, die seit dem Umsturz inhaftierten politischen Gefangenen freigelassen werden und die Muslimbrüder auch künftig eine politische Rolle spielen dürfen.

In verschiedenen Moscheen der Hauptstadt Kairo versammelten sich weitere Anhänger der Muslimbruderschaft zu Protestmärschen. Das Nachrichtenportal „Al Ahram“ berichtete, die Islamisten hätten ihre Anhänger zusätzlich zu einer großen Protestaktion auf dem Tahrir-Platz und vor dem Präsidentenpalast am kommenden Freitag aufgerufen. Ziel dieser Aktion sei es, zu beweisen, dass sie mindestens genauso viele Demonstranten zusammentrommeln könnten wie die Protestbewegung „Tamarud“. Durch deren Massenproteste hatte sich die Armee am 3. Juli ermutigt gefühlt, Mursi abzusetzen. Aus Sicht der protestierenden Islamisten ist Mursi immer noch der rechtmäßige Präsident. Deshalb lehnen sie Verhandlungen mit der neuen Übergangsregierung ab. (mit Reuters und AFP)

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